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  • Diana Thielen

Reflect your practice, Vol.1


" Most of the time I see white skinny woman at yoga classes and I wonder: Where are all the others?"

Beim ersten Treffen der “reflect your practice” Reihe haben wir einen Text von Melanie Klein gelesen („How Yoga makes you pretty: The Beauty Myth, Yoga and me“). Klein beschreibt persönliche Erfahrungen in Bezug zu gesellschaftlich konstruierten Schönheitsnormen, ihren ersten Kontakt zu feministischen Diskursen sowie ihre ersten Schritte auf der Yogamatte. Stereotypisierungen der Geschlechter, „der Schönheitsmythos“ und Objektivierungen des weiblichen*[1] Körpers stehen in dem Text ebenso im Vordergrund wie das Selbstermächtigungs-Potential (engl.:self-empowerment) einer regulären Yogapraxis.

Die Idee der „reflect your practice“ Reihe ist es, gesellschaftliche Konstruktionen, Ungleichheiten und Dominanzstrukturen in Relation zu Yogapraxen (in einem westlich positionierten[2] Kontext, wie z.B. Berlin) zu setzen. Um einerseits den pädagogischen Rahmen zu hinterfragen, aber auch vielfach verkörperte (sozial konstruierte) Normen zu erkennen, zu benennen und durch eine Asanapraxis in ein für uns bestärkendes Werkzeug zu wandeln. Fragen die die gesamte „reflect your practice“ Reihe begleiten werden, sind daher:

  • Wie können wir - die Yogaübenden - uns vernetzen, um einen kritischen und doch empowernden Umgang mit der Yogapraxis zu finden?

  • Ist es möglich, diese „Kraft“ die durch eine wachsende Achtsamkeit mit dem eigenen Körper (verbunden mit kleinen Meditationsübungen) entsteht, nicht nur in die Verwirklichung/Praxis des individuellen Lebenswegs zu „investieren“, sondern diese Kraft auch an andere weiter zu geben?

Es war eine kleine Gruppe mit 5 Teilnehmer*innen, sowie Vincenz und mir als die Personen die dieses Treffen anleiteten. In der Vorstellungsrunde konnten alle ihren Namen, ihr Pronomen, ihre Gedanken zum Text, Wünsche und Erfahrungen teilen. So wollten wir einen kleinen Einstieg zur Selbst-Positionierung schaffen, da wir damit rechneten, dass nicht alle mit dieser Praxis vertraut waren. Die Gruppe war ziemlich homogen, da alle weiß positioniert waren, cis[3] und nicht „behindert“ wurden[4] . In dieser kleinen Vorstellungsrunde nannten einige Teilnehmer*innen auch Wünsche, was sie sich von diesem Treffen erhoffen: Sie wollten beispielsweise die Anonymität der Yogaklassen aufheben, mit anderen ihr Erlebtes teilen und ihre diversen Interessenfelder zusammenbringen.

Es war schön mit anderen Yogaübenden Erfahrungen zu teilen und sich aus zu tauschen. Ich konnte mich in einigen Erfahrungen wieder finden. Etwa wenn berichtet wurde, wie Yoga zu Beginn sich hauptsächlich auf den physischen Aspekt bezog und Entspannung versprach; im Laufe der Yoga-Praxis jedoch die Beobachtung der Atmung und kleine Aufmerksamkeitsübungen immer bedeutender wurden. Es wurde auch beschrieben, wie die Yogastunden Platz angeboten haben, mit sich selbst in Kontakt zu treten und die Kontinuität des Übens zugleich einen Schutzraum kreierte.

Was ist der „Schönheitsmythos“ den Klein u.a. thematisiert?

Bei dem Treffen haben sich Kleingruppen mit der Verwobenheit von Schönheit und Gesundheit; Schönheit und Glück; und Schönheit und Erfolg ausgetauscht. Diese Verlinkung könnte als „Schönheitsmythos“ beschrieben werden:

Wenn zum Beispiel unhinterfragt angenommen wird, dass schöne Menschen auch gesund/ gesünder sind. Dünne Menschen (die in den Augen der Mehrheitsgesellschaft als schön verstanden werden) werden viel öfter als gesund angesehen. Viele Personen die als dick[5] betrachtet werden, erzählen von den immer wieder vorkommenden diskriminierenden Behandlungen, z.B. bei Arztbesuchen. Die sog. gesunden Körper werden auch oft mit fitten Körpern gleichgesetzt. Und für diesen Körper sind wir schließlich selber verantwortlich[6]. Es ist unsere Aufgabe fit und leistungsaktiv zu sein. Und nicht etwa träge und faul… Eigenschaften die oft dicken Menschen zugeschrieben werden.

Schöne Menschen sind auch glücklich, es kommt praktisch ganz von allein! Ich habe beispielsweise wirklich lange daran geglaubt: Wenn ich erstmal diesen Wunsch-Normkörper habe, dann lösen sich auch meine Selbstzweifel, meine Ängste und meine Unsicherheiten. Und das sind sicherlich nicht nur Gedanken einer Teenagerin, die Zukunftsängste hat und nicht weiß wohin mit sich. Ich bin immer noch des öfteren Zeugin von Aussagen von Personen (die schon längst ihre Teenager*in Zeit hinter sich haben), die „nur noch ein paar Kilos abnehmen“ müssen um vermeintlich wieder ein stärkeres Selbstwertgefühl zu bekommen.

Und schöne Menschen sind erfolgreicher…mmm. Ja, das wird auch immer wieder durch die unterschiedlichen Medien getragen. Aber ist das nicht genau dieser Kreislauf, den wir ja dann auch mit kreieren? Wir gehen davon aus, dass Personen, die den Schönheitsnormen entsprechen, leistungsstärker, gesünder und glücklicher sind. Und bestärken somit die Normen, reproduzieren also die ungerechten, aber verinnerlichten Ideen der Gesellschaft.

Das Konzept Schönheit wird also mit Glück, Gesundheit und Erfolg gleich gesetzt. Ist es möglich sich davon zu lösen? Kann ich z.B. glücklich sein, ohne auch schön zu sein?

Yoga und das Konzept der Selbstfürsorge[7]

Wenn Yoga als ein Aspekt der Selbstfürsorge verstanden wird, dann ist es auch wichtig, zu hinterfragen, für wen Yoga angeboten wird und wer somit Zugang bekommt. Es ist wesentlich schwieriger für sich (und andere) zu sorgen, wenn z.B. aufgrund eines illegalisierten Status die medizinische Versorgung nicht sichergestellt ist. Oder wenn aufgrund finanzieller Unsicherheiten eine gesunde, ausgewogene Ernährung schwer aufrecht zu erhalten ist. Bei der Möglichkeit Yoga zu üben (sei es zeitlich, oder aber auch finanziell) ist es doch ähnlich: Wer übt Yoga? Wer unterrichtet Yoga? Wer kann es sich zeitlich und finanziell leisten und fühlt sich auch von den Angeboten angesprochen?

Zudem ist es bedeutend zu hinterfragen, ob diese Selbstfürsorge eher als Selbst-Optimierung verstanden wird. Als eine Anpassung an die Norm? Warum gibt es denn eigentlich „Detox-Yoga“, weshalb sind überhaupt alle Yogaklassen so gefragt und angesagt? Geht denn nicht Selbstfürsorge darüber hinaus, einmal die Woche zum Yoga zu gehen um sich „eine Portion“ Bewegung und Entspannung zu holen (und um „nebenbei“ einen fitten Körper zu bekommen…)? Wäre denn nicht viel mehr Kraft in dem Ansatz, durch das Praktizieren von Asanas, durch Atemübungen und Meditation eigene Bedürfnisse, Kapazitäten und Grenzen zu erkennen…um diese dann auch von anderen Menschen wahr zu nehmen und in Zusammenhang mit gesellschaftlichen Normen zu setzen? Nicht um sich den gesellschaftlichen Strukturen an zu passen (um z.B. noch leistungsfähiger zu werden), sondern um Dominanzverhältnisse in Frage zu stellen und zu verändern.

Yoga könnte dann begleitend, stärkend und schützend wirken. Durch das Üben von Yoga kann z.B. ein „innerer sicherer Raum“ geschaffen und gepflegt werden. Yoga bietet den Übenden an, einfach da zu sein, mit all ihren Zweifeln, Freuden, Ängsten, Traumata, Wünschen, Hoffnungen, Kränkungen, Ideen und Erlebnissen.

Das würde ich als Selbstfürsorge in Bezug auf Yoga sehen. Wobei ich ganz klar benennen möchte, dass nicht alle Personen einen einfachen Zugang zu den Ressourcen bekommen. Nicht ohne Grund hat eine Teilnehmerin beim Treffen gesagt: "Most of the time I see white skinny women at yoga classes and I wonder: where are all the others?"

Selbstpositionierungen von Diana:

Als weiß positionierte Yogalehrerin, mit einem bürgerlichen/Mittelklasse-Hintergrund und mit den gesellschaftlichen Ideen eines gesunden und schönen Körpers entsprechenden Eigenschaften, bin ich in einer Position, in der ich mich freiwillig mit (vielen) Themen der Dominanzstrukturen auseinandersetze. Das bedeutet, ich kann aufgrund eines emanzipatorischen, links-politischen Verantwortungsgefühls mich gegen Rassismus, Klassizismus, Ableismus und Genderismus einsetzen. Doch ich bin nicht von dieser Diskriminierung betroffen, und es ist ein leichtes diese zu übersehen oder nicht als „wichtig“ zu betrachten. Als lesbisch lebende Frau* habe ich Erfahrungen mit Homophobie und Sexismus gemacht und sehe die damit verwobene immer wieder auftauchende Idee des „Normalen“ in meiner Umgebung.

by Diana Thielen edited by Vincenz Kokot

[1] Das* will die Konstruktion der Weiblichkeit sichtbar machen und Trans* mitdenken-benennen und sichtbar machen. Weg von der binären Geschlechterordnung, hin zum Verständnis fluider Genderidentitäten

[2] „westlich positioniert“ verdeutlicht das Verständnis westlich positionierte, postkoloniale Gesellschaften, die sich oft als „zivilisiert“, „fortschrittlich“ betrachten. Eine Norm nach denen sich andere Kulturkreise richten müssen

[3] Die Vorsilbe ‚Cis‘ wird benutzt, um auszudrücken, dass eine Person sich mit dem Geschlecht identifiziert, dem er*sie bei der Geburt aufgrund seiner*ihrer Genitalien zugewiesen wurde. ‚Cis‘ ist somit das Gegenteil zu ‚Trans‘.

[4] Angelehnt an disability studies, die „Behinderungen“ u.a. als ein Konstrukt der Mehrheitsgesellschaft untersuchen. Unter dieser Analyse werden Menschen behindert.

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