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  • Diana Thielen

Wenn ich nicht tanzen kann...2


​Dies ist der zweite Teil des Vortrags, den ich im Rahmen der queeren Ringvorlesung der Universität Frankfurt gehalten hab. Ich bin der die Frage nachgegangen, ob Tanz als kritische Praxis verstanden werden kann: Im 1. Teil habe ich "Gender in Contact Improvisation" thematisiert.

Für diesen Abschnitt möchte ich auf Chris Tedjasukmana zurückkommen. Denn Tedjasukmana schreibt in dem Essay „Feel Bad Movement- Affekt, Aktivismus und queere Gegenöffentlichkeiten“ (2017), dass queere Politik in besonderer Weise an intime, biografische Fragen von Körper, Identität, Geschlecht und Sexualität gebunden ist. Was meine Arbeit also begleitet, ist die Frage, ob uns Tanz/ Contact Improvisation als Form einen Untersuchungsgegenstand anbietet, an dem wir soziale, verkörperte Normen reflektieren, hinterfragen und neu erfinden können? Ich habe den Vortrag gekürzt und in Abschnitte eingeteilt, die ich separat veröffentlichen möchte.

„Contact Improvisation is an open-ended exploration of the kinaesthetic possibilities of bodies moving through contact. Sometimes wild and athletic, sometimes quiet and meditative, it is a form open to all bodies and enquiring minds.”

Ray Chung Workshop Ankündigung, London, 2009

Welches politische Potential bieten uns Körperpraktiken, in diesem Falle CI, an?

Die Beispiele des 1. Abschnitts haben sich im dichotomen Geschlechterverständnis bewegt, um erkennbar werden zu lassen, dass die nicht benannten Räume, (auf die anderen Räume komme ich sogleich zu sprechen, wie z.B. FLT*I*) die heteronormative Norm wiederspiegeln (wie auch andere strukturierende Machtverhältnisse).

Warum FLT*I*?

Der Körper erinnert sich an Erfahrungen, die wir zu Lebzeiten machen. Erfahrungen schreiben sich nicht nur in unserem Gedächtnis, sondern auch in unserem Körper und in unsere Gefühle ein. (embodiment)

Die FLT*I* Angebote sprechen die Personen an, die nicht von den cis-männlichen Privilegien in unserer Gesellschaft profitieren können (Frauen, Lesben, Trans-und Inter*). Der Raum versucht einen sog. Schutzraum anzubieten, in denen die Teilnehmer_innen ihre teils ähnlichen; teils gegensätzlichen; miteinander in Beziehung stehende Erfahrungen mit thematisieren können.[1]

Ich kann meinen Körper jedoch nicht nur als einen Ort der Einschreibungen, Normierungen und Machtverhältnisse erkennen. Sondern gleichzeitig als Ort des Widerstands, als einen Ort der Ermächtigung.

Mir gefällt die Aneinanderreihung der Buchstaben (FLT*I*), da in dieser dadurch die Bewegungen/ Entwicklungen, teils schmerzhaften Auseinandersetzungen in und über feministischen Frauen* und Lesben Räumen nachvollziehbar wird. Der Versuch besteht darin, gemeinsam einen Raum zu schaffen, der sich in Solidarität versucht. Einen Raum um sich zuzuhören, um sich Platz zu geben.

Die folgenden, zusammengesuchten Themenschwerpunkte, beruhen sowohl auf meine eigenen Erfahrungen als cis-geschlechtliche, frau-isierte, weiße und nicht-behinderte Person. Als auch auf Gesprächen mit Teilnehmer_innen der FLT*I Runden:

Als frau-isierte Person bietet mir der Raum die Möglichkeit über (hetero-)sexistische Normierungen und Zuschreibungen der patriarchalen Gesellschaft zu reflektieren. Eine Teilnehmerin* hat einmal gesagt, dass sie in diesem Rahmen lernen und erfahren kann „sich zuzumuten“. (Körper-) Gewicht wird nicht aus einer Schönheitsnorm bewertet, sondern bietet sogar Potential (unter Einbeziehung physikalischer Regeln, Schwung, Gewicht…) um in eine dynamische Improvisation zu leiten. Ich lerne mich zuzumuten. Mein Gewicht anzunehmen. Ich darf schwer sein.

Kann dadurch fat-shaming der Gesellschaft irritiert werden?

Auch bietet der (FLT*I*) Raum uns an, Konsens in den Mittelpunkt zu setzen. In (mainstream-) CI Räumen wird davon ausgegangen, das prinzipiell jede Person bereit ist zu tanzen. Jede Person die teilnimmt, hat die Möglichkeit, Verantwortung für sich selbst, ihre körperliche Sicherheit, ihren Körper und ihre Gefühle und Bedürfnisse zu übernehmen. Wir dürfen wählen mit wem wir tanzen, wie wir tanzen und wann wir einen Tanz beenden wollen. Würde diese Aussage wohl von allen CI Tänzer_innen unterschrieben werden, negiert diese Aussage jedoch auch die oft erlebten Lebensrealitäten. Und die damit einhergehenden strukturierenden Machtverhältnisse.

Körperlich Nähe und auch soziale Dynamiken in den CI-Räumen können erlebte Erinnerungen hervorrufen. Verobjektivierungen, Sexualisierungen und teilweise emotionale und körperliche Grenzüberschreitungen haben viele von uns in diversen Lebenssituationen erlebt.

Der FLT*I Raum ermöglicht mir meine Eigenständigkeit, meine absolute Handlungshoheit über meinen Körper und meine Bedürfnisse immer wieder neu zu erleben und teils neu zu erfinden.

„Nein“ Sagen wird zu oft als eine übliche und verbreitete Handlungsoption benannt. Dabei impliziert ein „Nein“ schon eine vorherige Grenzüberschreitung.

Ich übe eine 100% Solidarität zu mir selber

Was kann ein CI- Raum für queere Menschen ermöglichen? Diese Frage lädt direkt zu einer Gegenfrage ein: Weshalb werden queere Körper in der patriarchalen, rassistischen, kapitalistischen Gesellschaft verunmöglicht?

Was kommt als nächstes? Der FLT*I* -Raum nutzt Identitäten um sich bewusst abzugrenzen und Personen (in diesem Falle Cis-männliche Personen) auszuschließen. Wenn im Folgenden (im 3. Teil dieser Serie!) nun von queeren Räumen gesprochen wird, werden diese Kategorien mit in Frage gestellt. Zur Untersuchung angeboten. Es ist ein Angebot Kategorien zu hinterfragen und die gleichzeitige Widersprüchlichkeit verkörperter, sozialer Normen anzuerkennen.

[1] https://missy-magazine.de/blog/2016/02/24/wishful-thinking-safe-spaces/

An dieser Stelle kann nur am Rande erwähnt werden, wie, für wen die Bezeichnung Safe Space überhaupt zutreffend ist. Die Journalistin Azadê Peşmen hat daher den Begriff „accountable spaces“ vorgeschlagen den „safe“ schließt wiederum individuelle Erfahrungen aus, „accountable“ spaces oder in anderen Netzwerken wird auch teilweise von „safer“ spaces gesprochen, möchte somit erkennbar machen, dass wir uns in einem Prozess befinden. Und der Zustand von unsere aller Zutun abhängig ist

Bibliography: Ahmed, Sara (2017): Feministisch leben! Manifest für Spassverderberinnen, Münster, Unrast Verlag

Croft, Claire (2017): Queer Dance, Makings and Meanings, New York, Oxford University Press

Czollek; Perko; Weinbach (2009):Lehrbuch Gender und Queer; Grundlagen, Methoden und Praxisfelder, Münster, Juventa Verlag

Horrigan, Kristin (2016), Gender and Improvisation (an interactive lecture)

Spatz, Ben (2015): What a body can do; Technique as knowledge, Practice as research, London, Routledge Press

Von Bosse; Klöppel, Köppert; Michalski; Treusch (Hrsg.) (2015): I is for Impasse, Affektive Queerverbindungen in Theorie_Aktivismus_Kunst, Berlin, b_books

Young, Marion (1980): Throwing like a girl- A phenomenology of Feminine Body Comportment, Motility and Spaciality, Human Studies

Queerulant_in (Juni 2018), Neonkristall : Wastanzist, Göttingen

Quinten, Susanne; Schroedter, Stephanie (2016): Tanzpraxis in der Forschung- Tanz als Forschungspraxis, Bielefeld, transcript Verlag

Online ressources: Ahmed, Sara (2014): https://feministkilljoys.com/2014/08/25/selfcare-as-warfare/

Contact Quarterly (multiple authorship) https://contactquarterly.com/cq/about-cq/index.php https://contactquarterly.com/contact-improvisation/about/index.php

about Emma Goldman: http://www.lib.berkeley.edu/goldman/index.html

Hechler, Andreas (2007) Heteronormativity in Contact Improvisation http://www.contactfestival.de/Bilder/text/07_HeteronormativityinCI_hechler.pdf

Mirk, Sarah (2016): https://www.bitchmedia.org/article/audre-lorde-thought-self-care-act-political-warfare

Peşmen, Azadê (2016) Wishful thinking: Safe space, Ist das noch Utopie oder schon Illusion? https://missy-magazine.de/blog/2016/02/24/wishful-thinking-safe-spaces/

Radical Contact Network (multiple authorship) https://radicalcontact.org/safer-spaces-policy-radical-contact

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